Episode 20: Rekrutier(b)engel

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    Zeitreisen, Morgenmuffel, Mitochondrien, Eimerdusche, Geschichtenerzähler.

    »Was ist das bitte für ein dämliches Indiz? Außer, dass du das gefräßigste Fossil –«

    »Erstens ist das ein Getränk …« Als ob ich das nicht selbst gewusst hätte. Augenrollalarm. »Zweitens bin ich nicht versteinert.« (Mit Betonung auf ’noch‘ nicht). »Und drittens ist es ein ganz hervorragendes Indiz.« Er beugte sich vor und schnüffelte an meinem Hals. Seine Lippen streiften meine empfindliche Haut, als er die Nase tiefer als nötig in meine Halsbeuge bohrte. 

    Ich verkniff mir ein Kichern und schnaubte anstatt dessen. »Knutschen und Futtern. Mehr kannst du nicht.«

    »Eindeutig.« Cimis Locken kitzelten meine Wange.

    »Dann gibst du es also zu? Das ist ein Fortschritt. Ich bin stolz auf dich.« Ich tätschelte seinen Scheitel.

    »Eindeutig riechst du.«

    »Wie bitte?« Panisch begann ich an meinem Kragen zu schnüffeln. Ich begann zu verwesen? Jetzt schon? Wie lange war ich denn bitte tot?

    »Jep.« Er nickte ernsthaft. »Unverkennbar, dieser süßliche Duft.« Verwesung! Ich hatte es geahnt! »Gemischt mit Zimt, Kardamom, der herbe Geruch schwarzen Tees, darüber eine feine Milchnote …«

    Entrüstet schlug ich ihm vor die Brust. »Du Idiot! Wieso sollte ich nach Chai Latte riechen? Das Zeug kippt nur Jen in sich rein, ich würde das nie … Oh.«

    »Ah!« Er strahlte. »Du hast es kapiert! Bravo, Elfi! Dein Detektivsinn bessert sich.«

    »Das ist doch überhaupt kein Beweis. Ich war an dem Abend mit Jen zusammen, vielleicht hat sie …«

    »… Dir im Streit ihren Tee übergekippt?« Cimarons Augen blitzten auf. »Kommt daher vielleicht der beigefarbene Fleck auf deinem Busen?«

    Entgeistert starrte ich auf mein Dekolletee. Nicht so sehr, weil Cimaron es bemerkt (oder vielmehr angeglotzt) hatte, sondern weil dieser Fleck mich in eine ZEITREISE katapultierte, die mich wie ein Hochgeschwindigkeitszug erfasste und abrupt aus dem Waggon schubste.

    Als ich aufschlug, war es noch eine Stunde bis zur Party.

    Jens Augen waren riesig. Sie hatte wieder zu viel Kajal benutzt und wirkte ein bisschen wie ein angetrunkener Waschbär. Das war aber nicht der Grund ihres Gesichtsausdrucks, sondern der Schreck darüber, dass sie mein Partyoutfit mit ihrem scheiß Tee versaut hatte. Auf dem weißen Glitzertop, das ich extra aus dem Schrank meiner Mutter stibitzt hatte, damit Pablo endlich mal auf die richtigen Gedanken kam, prangte ein gewaltiger Schwarzteefleck.

    »Oh Mann, Elfi, so kannst du nicht gehen. Zieh lieber das T-Shirt aus der Schule wieder an«, stellte Jen gerade treffend fest.

    »Kannst du mir nichts leihen?«

    Sie verzog ihr hübsches Waschbärengesicht. »Mit deinem Vorbau weitest du doch immer alles aus, dann kann ich es nur noch als Nachthemd tragen. Na komm schon, das Shirt ist doch süß!«

    Ja. Süß. Und jetzt prangte auf dem Grinsekatzenshirt auch noch ein hellbrauner Fleck, weil mein teefeuchter BH durchgedrückt hatte.

    Der Zeitreisezug hatte endlich bemerkt, dass er einen Passagier verloren hatte, rauschte erneut heran und schmiss mich zurück in Cimarons wartende Arme. Danke, Zug! Genau hier wollte ich nicht hin.

    Cimis Augenbrauen waren gaaaanz weit oben.

    »Was ist?«, fauchte ich.

    »Kleines Nickerchen am Nachmittag?« Er deutete auf meinen schlaffen Körper in seinen Armen. War ich bewusstlos geworden? Eine bewusstlose Tote?

    »Ich hatte einen Backflash«, schnappte ich und zappelte, damit er mich losließ.

    »Sei nicht so ein MORGENMUFFEL … oder sollte ich besser Nachmittagsmuffel sagen? Eigentlich bist du ein Ganztagsmuffel. Ich nenne dich ab jetzt Muffel.« Damit ließ er mich endlich los. End.lich. Genau. So!

    »Jen hat mit ihrem Tee mein Partyoutfit ruiniert.« Weil er nicht reagierte, fügte ich hinzu: »Mit Absicht.«

    »Die Ärmste.« Cimaron wirkte ernsthaft bedauernd und ich hatte den Eindruck, meine MITOCHONDRIEN würden vor lauter Blödheit gleich in ihrer Gesamtheit den Dienst einstellen. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob das bei Toten nicht sowieso der Fall war. Aber darüber wollte ich lieber nicht zu viel nachdenken.

    »Wieso sie? Ich musste in diesem Shirt auf die Party, sie trug natürlich etwas atemberaubend Heißes.« In meinem Eifer vergaß ich ganz, dass ich kurz zuvor noch behauptet hatte, mein Outfit total partytauglich zu finden.

    »Wenn sie das nötig hat, steht es ganz schön mies um ihr Selbstbewusstsein. Denk doch nach: Du hast den Jungen, in den sie heimlich verliebt ist. Du hast den Busen. Und nun bist du auch noch tot!«, kippte er die EIMERDUSCHE von einer Aufzählung über mir aus.

    »Du hast recht. Das ist wirklich ein Grund, sie zu bemitleiden. Jetzt hat sie den Jungen und lebt. Mit Busen und allem.«

    »Muffelchen, dafür hast du doch mich! Siehst du nicht, welch großes Los du gezogen hast? Deine Freundin hat den lispelnden Gesichtsbeißer und du –«

    »Ich hab den verfressenen Dackel.«

    »Du hast den erfolgreichsten Rekrutierengel aller sieben Ebenen.« Seine Brust schwoll sichtlich an.

    »Erfolg… Rekrutier… Sieben …« Ich wusste gar nicht, mit welcher Ungeheuerlichkeit ich anfangen sollte. »Soll das heißen, ich muss mindestens sieben Mal mit dir …«

    »Du darfst, Elfilein! Es wird ein Genuss für dich.«

    »Ich glaub dir kein Wort, du GESCHICHTENERZÄHLER.«

    »Woran genau zweifelst du nun schon wieder? Ich bin tatsächlich seit vier Jahrhunderten ungeschlagen der Schnellste –«

    »Cimi … das ist nichts, womit man sich brüsten sollte. Niemand steht auf vorzeitigen Samenerguss.«

    Sein Grinsen war ab.so.lut unerträglich.

    2 Kommentare

    1. Vorzeitigen Samenerguss? (Warum kennt mein Handy dieses Wort ??) Echt jetzt !
      Hach jetzt bin ich endlich up to date ,lieben dank für dieses Vergnügen!

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